Diagnose manisch-depressiv. Ja, so habe ich auch geguckt, als mir diese Diagnose im Jahre 1988 mitgeteilt wurde. Zuerst wusste ich ja gar nicht, was das überhaupt bedeutet. Etwas später, als ich es wusste, wollte ich es nicht wahrhaben, denn schließlich ist man dann ja verrückt, nicht wahr? Aber dass mein damaliger Ehemann und auch meine Mutter mir ab da ständig sagten „Du bist krank!”, half mir sehr. NICHT. GAR NICHT!
Ich fühlte mich gebrandmarkt; das kleine bisschen Selbstbewusstsein, was ich hatte, verkrümelte sich gänzlich vom Acker. Und dann machte mir jemand den Vorschlag, nochmal in eine (andere) Klinik zu gehen. Das tat ich dann auch und bekam dort die erste, überaus heftige und niederschmetternde, über mehrere Monate dauernde Depression meines Lebens.
ALTER! WAT’N SCHEISS! Ich wusste gar nicht, wie mir geschah… seelische Höllenqualen at it’s best! Keine Pille half. Ich wollte einfach nur noch sterben, um nicht mehr fühlen zu müssen. Nur meine beiden Töchter hielten mich „aufrecht”. Diagnose manisch-depressiv, super. Heutzutage sagt man „Bipolare Störung”. Hört sich ja irgendwie nicht ganz so schlimm an.
1989 war ich wieder in einer Klinik, und ich musste u.a. zu einem Intelligenztest, der ca. 2 Stunden dauerte. Ich dachte nur „Owei owei”, hielt ich mich doch nicht gerade für schlau. Umso überraschter war ich über das Ergebnis. Man sagte mir, ich sei überdurchschnittlich intelligent, ehrlich, ehrgeizig und aggressiv. Und habe ein ausgeprägtes Darstellungsvermögen.
Zudem hatte ich einen Leserbrief an eine Zeitschrift geschickt, der gedruckt worden war. Ein Arzt las ihn durch und meinte, ich könne Schriftstellerin sein. Zum ersten Mal in meinem Leben (ich war 29) wurde mir gesagt, dass ich gut sei, sogar sehr gut. Und nicht böse oder schlecht. Das gab mir – verständlicherweise – einen immensen Aufschub.
Als ich mich 1990 vom Vater meiner Kinder trennte – welches eine sehr gute Entscheidung war – konnte ich jedoch aufgrund meiner Krankheit meine beiden Töchter nicht behalten. Gar nicht schön, aber ich begann wenig später die Umschulung zur Schriftsetzerin, die mir sehr viel Spaß machte. Und die Kinder sah ich ja an den Wochenenden.
Manische Phasen
Diese sind im Gegensatz zu Depressionen (und auch normaler Stimmung) ja mal so richtig geil. Also so rein vom Gefühl her. Wenn ich da nur nicht so’n Scheiß bauen würde… So war ich 1994 mal in einer Düsseldorfer Disco und wollte ein paar Typen weismachen, dass in den Plättchen (ich drehte damals meine Zigaretten) Drogen sind. Und als einer der Typen mir zu nahe kam, schüttete ich ihm mein Bier über sein schickes Hemd.
Oh_oh…. zack, hatte ich seine Fäuste im Gesicht und auf dem Kopf. Das knirschende Geräusch meiner brechenden Nase werde ich nie vergessen. Und anstatt ein Krankenhaus aufzusuchen, fuhr ich nach Hause. Als mein Bruder am übernächsten Tag zu Besuch kam, schleppte er mich erstmal in Krankenhaus… Nach dieser manischen Phase kam dann wieder eine tiefe Depression, in der ich versuchte, mir das Leben zu nehmen.
Danach folgte eine lange Zeit (ca. 10 Jahre), in der ich gesund war, arbeiten ging und Spaß am Leben hatte. Besonders auch daran, dass ich meinen ersten Mac bekam und somit digital kreativ sein konnte. Es war Ende 2005, als ich dachte, ich könne meine Medikamente absetzen. Weil, war ja alles paletti. Wie sehr ich mich irrte… Es kam soweit, dass ich eine Arbeitskollegin anschrie – vor versammelter Mannschaft. Tja, da durfte ich dann sofort meine Sachen packen.
Doch es ging noch weiter. Ich landete im Frühling 2006 dann so richtig in der Manie. Einen Typen, den ich nett fand, bombardierte ich mit SMS – deren Inhalt aber nur ich verstand. Beinah hätte er mich angezeigt. Die Musik, die ich zuhause über die Anlage hörte, drehte ich immer so richtig schön auf. Und ich begann damit, meine Wohnung zu verwüsten. Ziemlich viel ungespültes Geschirr hatte sich in der Küche angehäuft, und als ich mich mal wieder über meine Mutter aufregte, beförderte ich das komplette Geschirr mit einer Armbewegung auf den Fußboden.
Auch im Wohnzimmer verursachte ich Scherbenhaufen. Lief aber immer barfuß durch die Wohnung – ohne mich zu verletzen. Nun, wegen der lauten Musik kam dann irgendwann die Polizei, die sich sehr gut und richtig (einfühlsam) mir gegenüber verhielt, sodass ich runterkam und einsah, dass ich vielleicht doch mal wieder meine Medis nehmen sollte und mich von ihnen in die Klinik fahren ließ, in der ich 3 Wochen in der Geschlossenen verbrachte. 2006 war also meine letzte manische Phase.
Es folgten wieder etliche gute Jahre, 13 an der Zahl, bis ich Ende letzten Jahres eine hypomanische Phase (abgeschwächte Form der Manie) durchlebte. Auch da „schrie” ich zwei Kolleginnen an, von denen ich mich angegriffen fühlte. Allerdings tat ich es diesmal auf digitalem Wege über WhatsApp in die Bürogruppe. Und zack – war ich mal wieder weg vom Fenster.
Diagnose manisch-depressiv
Da ich nun das zweite Mal geflogen bin, muss ich jetzt überlegen, wie es mit mir weitergehen soll. Zur Zeit erhalte ich Krankengeld, und meine Ärztin wies mich in eine Tagesklinik ein. Dort wird allerdings erst im März ein Platz frei – also in einem Monat. Hm, ich werde mal versuchen, eher einen Platz zu bekommen.
Diagnose manisch-depressiv. Braucht kein Mensch. 🙁 Aber so paradox sich das anhört – diese Krankheit hat mir auch so einiges gegeben. Und es ist schon lange nicht mehr so, dass ich sie nicht wahrhaben will.
CU <3